Gestaltung von Lernmaterial: Wie Hervorhebungen den Lernerfolg beeinflussen

Metaanalyse im Überblick
Effekte von Hervorhebungen in Arbeitsmaterialien auf die Wiedergabe und den Transfer von Wissen
Durchschnittliche Effektstärke
Hervorhebungen in Arbeitsmaterialien wirken sich positiv auf die Wiedergabe (g = 0.53, mittlerer Effekt) und den Transfer (g = 0.33, kleiner Effekt) von Wissen aus.
SchülerInnen aller Altersstufen,
Studierende, Erwachsene
Weitere Befunde
Hervorhebungen in Arbeitsmaterialien reduzieren die kognitive Belastung (g = 0.25, kleiner Effekt) und erhöhen die Motivation (g = 0.13, kleiner Effekt)
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Gestaltung von Lernmaterial: Wie Hervorhebungen den Lernerfolg beeinflussen.

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Einleitung
Wie können Lehrpersonen Lernmaterialien gestalten oder auswählen, die SchülerInnen dabei bestmöglich unterstützen? Eine Reihe an Befunden zeigt, dass SchülerInnen besser lernen, wenn Lernmaterialien relevante Informationen oder die organisatorische Struktur der Lerninhalte hervorheben, da dadurch die kognitive Belastung für die Lernenden geringer ist (cognitive load theory). Dieses Prinzip, bei dem die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die relevante Information gelenkt wird, wird im Englischen Signaling genannt (dt. Hervorheben, Beispiel siehe Grafik 1).

Grafik 1. Beispiel für farbige Hervorhebungen in einer Lernumgebung.
Allerdings sind Hervorhebungen nicht in jedem Fall hilfreich. Manche Hervorhebungen lenken Lernende eher ab. Weil SchülerInnen dann stärker kognitiv belastet werden, verringert sich auch der Lernerfolg. Die vorliegende Metaanalyse synthetisiert die Ergebnisse bisheriger Studien und untersucht auf dieser Datenbasis, wie sich Hervorhebungen in Lernmaterialien auswirken – z.B. auf den Lernerfolg, die Motivation oder die kognitive Belastung. Sie berücksichtigt dabei eine Vielzahl an Faktoren und Rahmenbedingungen, die einen Einfluss haben könnten – z.B. das Unterrichtsfach oder die Art der Hervorhebungen.
Worum geht es in dieser Studie?
Die AutorInnen schließen Primärstudien in die Metaanalyse ein, die im Zeitraum von 1970-2016 auf Englisch oder Deutsch in Zeitschriften mit Begutachtungsverfahren, als Abschlussarbeiten, Konferenzbeiträge oder Onlinepublikationen veröffentlicht wurden. Grundlage der Metaanalyse sind insgesamt 103 Studien mit 12.201 TeilnehmerInnen. Ca. 14 % von ihnen stammen aus der Sekundarstufe. Die Mehrzahl der Studien wurde unter streng kontrollierten Bedingungen im Labor durchgeführt, einige Studien aber auch im Schulkontext.
Was findet diese Studie heraus?
Die einzelnen Moderatoranalysen zeigen, dass Hervorhebungen in Texten für die Wiedergabe von Wissen besonders effektiv sind. Bei Abbildungen ist der Effekt ebenfalls positiv, aber kleiner. In Bezug auf den Wissenstransfer beeinflusst die Art der Hervorhebung in Abbildungen den Effekt: Während sich farbliche Hervorhebungen positiv auswirken, sind Wegweiser, Beschriftungen, Scheinwerfer und grafische Hervorhebungen nicht wirksam. Blinken beeinträchtigt den Wissenstransfer sogar. Hervorhebungen sind in allen Fächern außer Mathematik effektiv. Für alle weiteren Moderatoren berichten die AutorInnen keine signifikanten Befunde. Die einzelnen Effektstärken sind in Tabelle 1 dargestellt.
MODERATOR & STUFEN | ANZAHL STUDIEN Wiedergabe/Transfer | EFFEKTSTÄRKE (g) Wiedergabe | EFFEKTSTÄRKE (g) Transfer |
|
---|---|---|---|---|
Alter | GrundschülerInnen | 7/7 | 0.19 | 0.21 |
SchülerInnen von weiterführenden Schulen | 19/8 | 0.34* | 0.32 | |
Studierende | 108/52 | 0.60* | 0.32 | |
Erwachsene | 4/2 | 0.50 | -0.04 | |
Vorwissen | Niedrig Lernende, die in Vorwissenstests weniger als die Hälfte der Punkte erreichten | 37/22 | 0.42* | 0.39* |
Hoch Lernende, die in Vorwissenstests mehr als die Hälfte der Punkte erreichten | 20/16 | 0.67* | 0.55* | |
Unterrichtsfach | Biologie | 32/22 | 0.35* | 0.38* |
Chemie | 4/4 | 0.80* | 0.41 | |
Mathematik | 9/9 | 0.08 | -0.03 | |
Physik | 36/23 | 0.43* | 0.44 | |
Geografie | 17/4 | 0.61* | 0.44 | |
Psychologie | 9/0 | 0.84* | - | |
Erziehungswissenschaften | 8/8 | 0.53* | 0.24 | |
Sonstige | 24/2 | 0.66* | 0.12 | |
Lerngeschwindigkeit | Durch die Lernumgebung vorgegeben Lernende können z.B. keinen Einfluss auf computergesteuerte Lernumgebung nehmen | 57/37 | 0.57* | 0.38 |
Individuell bestimmbar Lernende können den Lernvorgang selbst starten, pausieren oder wiederholen | 76/29 | 0.53* | 0.30* | |
Gemischt | 6/4 | 0.24 | 0.05 | |
Darstellungsform | Text Hervorhebung als Bestandteil eines Textes | 66/13 | 0.68* | 0.48* |
Abbildung | 70/55 | 0.68* | 0.48* | |
Gemischt | 3/2 | 0.87* | 0.39 | |
Hervorhebungen im Text | Strukturierungshilfen z. B. Überschriften oder fettgedruckte Wörter | 57/9 | 0.71* | 0.35* |
Bildverweis Text verweist z. B. mit einem Pfeil auf ein dazugehöriges Bild | 5/2 | 0.38 | 0.27* | |
Farbe z. B. Farbige Unterstreichungen/farbiger Druck | 2/0 | 0.70 | - | |
Intonation Betonung in einem gesprochenen Text | 2/2 | 0.43 | 0.70* | |
Gemischt | 3/2 | 1.01* | 0.29 | |
Hervorhebungen in Abbildungen | Wegweiser Pfeile oder Pedagogical Agents (meist animierte Computerfiguren, die durch ein Programm führen) | 19/12 | 0.33* | 0.21 |
Farbe Farbliche Hervorhebung eines bestimmten Teils einer Abbildung | 18/16 | 0.44* | 0.39* | |
Beschriftungen Beschriftung eines Teils der Abbildung | 6/4 | 0.32 | 0.38 | |
Blinken Blinken eines Teils der Abbildung | 3/3 | -0.56 | -0.47 | |
Scheinwerfer Lichtkreis auf einem Teil der Abbildung | 7/7 | 0.17 | 0.29 | |
Grafisch z. B. Concept Maps | 4/3 | 0.32 | 0.32 | |
Gemischt | 16/12 | 0.77* | 0.48* | |
Dauer der Hervorhebung | Permanent Hervorhebung bleibt bestehen, z. B. in einem Text | 84/27 | 0.58* | 0.31* |
Temporär Hervorhebung ist nur vorübergehend verfügbar, z. B. in einem Video oder einer Animation | 53/38 | 0.46* | 0.35* | |
Publikationsjahr der Studie | Vor 2000 | 52/9 | 0.65* | 0.06 |
Nach 2000 | 87/61 | 0.46* | 0.37* |
* signifikanter Effekt
Wie bewertet das Clearing House Unterricht diese Studie?
Wie substanziell sind die Effekte?
Die durchschnittlichen Effektstärken liegen nach der üblichen Einteilung nach Cohen (1988) im mittleren Bereich für die Wiedergabe von Wissen (g = 0.53) und im kleinen Bereich für den Transfer von Wissen (g = 0.33). Die Größe dieser Effekte bedeuten, dass ca. 70 % der SchülerInnen, die mit Lernmaterialien mit Hervorhebungen gearbeitet haben, Lerninhalte besser wiedergeben und 62 % die Lerninhalte besser auf andere Aufgaben anwenden können als der Durchschnitt der Kontrollgruppe. Die Metaanalyse berücksichtigt nur Primärstudien, die unter stark kontrollierten Versuchsbedingungen durchgeführt wurden. Sie beruht auf einer großen Zahl an Studien – und es finden sich fast durchgängig positive Effekte, die im Einzelnen noch deutlich größer ausfallen können (vgl. Tabelle 1). Diese drei Punkte sprechen für die positive Wirkung von Hervorhebungen in Lernmaterialien und die Belastbarkeit der durchgeführten Analysen.
Wie differenziert sind die Ergebnisse dargestellt?
Die AutorInnen schlüsseln ihre Ergebnisse sehr differenziert nach unterschiedlichen Fächern, Altersstufen und mehreren Erfolgskriterien (z.B. Lernerfolg, Motivation und kognitive Belastung) auf. Hervorhebungen in Arbeitsmaterialien sind hilfreich für Lernende aller Altersstufen – von SchülerInnen der Grundschule bis hin zu Erwachsenen. Im Bereich Wissenstransfer zeigen sich zwischen den (Schul-)Fächern keine Unterschiede. Für die Wiedergabe von Wissen haben Hervorhebungen in Arbeitsmaterialien sehr unterschiedliche Effekte je nach Fach: am Größten sind sie in Psychologie, Geographie und Erziehungswissenschaften, in den Fächern Physik und Biologie etwas kleiner. Die Tatsache, dass der Effekt in Mathematik nicht signifikant ist, führen die AutorInnen darauf zurück, dass in diesem Fach nur wenige Inhalte in Textform dargestellt werden und die Inhalte sehr abstrakt sind.
Wie verallgemeinerbar sind die Befunde?
Die AutorInnen testen zahlreiche Moderatorvariablen (vgl. Tabelle 1), um zu sehen, inwiefern der Gesamteffekt für unterschiedliche Bedingungen generalisierbar ist. Die Gesamteffekte bieten größtenteils eine gute Orientierung. Für einige wenige Bereiche – z.B. das Unterrichtsfach – unterscheiden sich die Befunde bedeutsam und die spezifischen Werte für die einzelnen Moderatorstufen sind dementsprechend aussagekräftiger als der Gesamteffekt. Die Moderatoranalysen beruhen allerdings größtenteils auf kleinen Stichproben – und nicht alle Studien untersuchen alle Moderatoren. Die einzelne Moderatoranalyse wird dadurch unpräziser und muss mit Vorbehalt interpretiert werden.
Was macht die Metaanalyse wissenschaftlich relevant?
Im Vergleich zu spezifischeren Arbeiten (Höffler & Leunter, 2007; Richter et al., 2016) liefert diese Metaanalyse ein umfassendes Bild zur Wirksamkeit von Hervorhebungen. Gleichzeitig illustriert sie, wie sich der Fokus der Forschung über die Zeit verändert hat: Während Effekte auf den Transfer von Wissen vor 2000 kaum untersucht wurden, stand dieser Aspekt nach 2000 im Fokus der Forschung. Wissenschaftlich interessant ist auch, dass die Befunde von Schneider und Kollegen im Gegensatz zu den Befunden von Richter und KollegInnen nicht belegen, dass Lernende mit weniger Vorwissen besonders von Hervorhebungen profitieren. Damit liefern sie Evidenz gegen die Expertise-Umkehr-Hypothese, die davon ausgeht, dass Lernende mit geringem Vorwissen mehr von instruktionalen Hilfen in Lernmaterialien profitieren.
Wie methodisch verlässlich sind die Befunde?
Die Offenlegung und Begründung des methodischen Vorgehens entspricht nahezu exemplarisch den Kriterien gängiger Anforderungskataloge (z.B. APA Meta-Analysis Reporting Standards). Die einzelnen Schritte des Erstellungsprozesses der Metaanalyse (Suche, Studienauswahl, Kodierung und statistische Analyse) sind sehr transparent und nachvollziehbar beschrieben und daher als methodisch verlässlich einzuordnen. Eine detaillierte Beurteilung finden Sie in unserem Rating Sheet.
Fazit für die Unterrichtspraxis
Prinzipiell können Lehrpersonen fast alle Arten von Hervorhebungen einsetzen, um SchülerInnen in ihrem Lernprozess zu unterstützen. Am wirksamsten sind Hinweise in Texten, die permanent bestehen bleiben (z. B. eine fett gedruckte Überschrift in einem Text im Vergleich zu einem Hinweispfeil auf einer Folie, die weiter geklickt wird). Nur sehr wenige Hervorhebungen, wie z. B. blinkende Hinweise auf Powerpointfolien, haben keine oder kontraproduktive Auswirkungen auf das Lernen.
Studienbeispiel
Nach einem Vorwissenstest bearbeiteten die SchülerInnen die Lerneinheit, die aus Abbildungen und einem begleitenden, gesprochenen Erklärtext bestand. Während die SchülerInnen den Erklärtext anhörten, wurden die einzelnen Elemente der Abbildung (vgl. Grafik 1) nach und nach eingeblendet. Anschließend folgte eine Übungseinheit, in der die SchülerInnen ihr Wissen anwenden und ihre Lösungen jeweils in das Programm eingeben konnten. Sie erhielten direkt Rückmeldung zu ihren Antworten. Abgesehen von den farblichen Unterschieden waren die Lernumgebung und der komplette Versuchsablauf für alle Schülerinnen genau gleich.
Der abschließende Test, in dem die SchülerInnen ihr Wissen auf vergleichbare Aufgabestellungen anwenden mussten, wurde für alle SchülerInnen auf Papier und in schwarz-weiß durchgeführt. Die Experimentalgruppe, die mit den farbigen Hervorhebungen gearbeitet hatte, schnitt sowohl beim Lösen der Praxisaufgaben als auch im anschließenden Test besser ab. SchülerInnen dieser Gruppe waren zudem motivierter. Im Gegensatz dazu berichtete die Kontrollgruppe, die ausschließlich mit schwarz-weißer Schrift gearbeitet hatte, eine größere kognitive Belastung und sie brauchte länger zur Bearbeitung der Aufgaben.
Referenzen und Links
Abelson, R. P. (1995). Statistics as principled argument. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2. Auflage). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
Höffler, T.N., & Leutner, D. (2007). Instructional animation versus static pictures: A meta-analysis. Learning and Instruction 17, 722-738. doi: 10.1016/j.learninstruc.2007.09.013.
Richter, J., Scheiter, K., & Eitel, A. (2016). Signaling text-picture relations in multimedia learning. A comprehensive meta-analysis. Educational Research Review, 58(1), 7-14. doi: 10.1016/j.edurev.2015.12.003.
Spyridakis, J. H. (1989). Signaling effects: A review of the research – Part I. Journal of Technical Writing and Communication, 19(3), 227–240. doi: 10.2190/UA49-PQ9K-H1MN-DYK9.
Schneider, S., Beege, M., Nebel, S., & Rey, G.D. (2017). A meta-analysis of how signaling affects learning with media. Educational Research Review, 23, 1-24. doi: 10.1016/j.edurev.2017.11.001.
Reisslein, J., Johnson, A. M., & Reisslein, M. (2016). Color Coding of Circuit Quantities in Introductory Circuit Analysis Instruction. IEEE Transactions on Education, 17, 19-36. doi: 10.1109/TE.2014.2312674.
Links.
Zur Metaanalyse von Schneider et al., 2018.
Zum Studienbeispiel von Reisslein et al., 2016.
Zitieren als.
Wiesbeck, A.B., Knogler, M., & CHU Research Group (2018). Gestaltung von Lernmaterial: Wie Hervorhebungen den Lernerfolg beeinflussen. www.clearinghouse-unterricht.de, Kurzreview 22.