Digitale Spiele sind gerade bei jungen Lernenden nicht nur sehr beliebt, sondern können unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Lernerfolg von SchülerInnen und Studierenden beitragen. Wie dieses Lernen mit digitalen Spielen effektiv durch softwaregesteuerte Maßnahmen unterstützt werden kann und welche Maßnahmen dabei effektiv sind, klärt die Metaanalyse „A meta-analytic review of the role of instructional support in game-based learning“ von Wouters und van Oostendorp (2013).
Metaanalyse im Überblick
Fokus der Studie: Wirksamkeit instruktionaler Unterstützung beim spielbasierten Lernen mit digitalen Spielen auf den Lernerfolg
Zielgruppe: SchülerInnen und Studierende
Durchschnittliche Effektstärke: Kleiner positiver Effekt (d = 0.34)
Weitere Befunde: Maßnahmen, die bei der Auswahl lernrelevanter Informationen unterstützen, sind besonders effektiv
Unterstützung wirkt sich auch positiv auf kognitive Fertigkeiten (d.h. Wissen in neuen Situationen anzuwenden) aus
Einleitung
Beliebte Begriffe wie „serious games“ oder „game-based learning“ zeigen, dass digitale Spiele nicht nur zur Unterhaltung, sondern mittlerweile genauso auch zu Lernzwecken entwickelt werden. So lässt sich das unterhaltsame Format von Spielen dazu nutzen, das Lernen zu fördern. Aktuelle Forschungsbefunde bestätigen, dass das spielbasierte Lernen in Studien häufig bessere Lernergebnisse erzielt als konventioneller (lehrerzentrierter) Unterricht (siehe auch Kurzreview 3 über kognitive und motivationale Effekte des spielbasierten Lernens).
Digitale Spiele stellen aber auch eine Fülle an Informationen über unterschiedliche Kanäle (Bild, Text, Audio) bereit, die wiederum hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit und die kognitive Verarbeitungskapazität der Spielenden stellen. Das verhindert zum Teil, dass die Spielenden sich auf relevante Lerninhalte konzentrieren und diese aufnehmen können.
So stellt sich für die Lehr-Lernforschung die Frage, inwiefern Spielende beim spielbasierten Lernen so unterstützt werden können, dass die Verarbeitungskapazität nicht übermäßig beansprucht wird und dadurch optimale Lernergebnisse erreicht werden können. Hier liefern zahlreiche Spiele schon vielfach Unterstützung, indem sie unter anderem konkrete Hinweise zu lernrelevanten Informationen oder Feedback zur Lösung von Aufgaben im Spiel enthalten. Die vorliegende Metaanalyse fasst die hierzu entstandenen Studien zusammen und gibt Aufschluss darüber, welche Maßnahmen instruktionaler Unterstützung bei digitalen Spielen den Lernerfolg fördern.
Worum geht es in dieser Studie?
Die Metaanalyse untersucht, wie effektiv instruktionale Unterstützung der Lernenden bei digitalen Lernspielen auf den Lernerfolg im Vergleich zu Lernenden ohne instruktionale Unterstützung ist und wie effektiv unterschiedliche Maßnahmen von instruktionaler Unterstützung sind. Dabei unterscheiden die AutorInnen zwischen acht verschiedenen Maßnahmen, die jeweils von der Spielsoftware angeboten werden. Diese Maßnahmen lassen sich zudem in zwei große Kategorien einteilen – je nachdem, bei welchem kognitiven Prozess sie die Lernenden unterstützen: So unterscheiden die AutorInnen jeweils vier Arten von Maßnahmen, die Lernende entweder bei der Auswahl relevanter Informationen oder bei der mentalen Organisation und Integration von neuen Informationen in bestehende Wissensstrukturen unterstützen (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1. Maßnahmen instruktionaler Unterstützung zur Auswahl sowie Organisation und Integration von Informationen.
Maßnahmen | Beschreibung |
---|---|
Zur Auswahl von Informationen: | |
Modellierung | Personen oder Lernprogramme erklären, wie man ein Problem lösen soll. Dabei werden den Lernenden die einzelnen Schritte genau erklärt. Diese Erklärungen können verbal, animiert oder graphisch dargestellt werden. |
Hinweise | Von der Lernsoftware generierte Informationen, die Lernende dabei unterstützen sollen, sich auf relevante Inhalte zu fokussieren. |
Audiounterstützung | Erklärungen, die über den Audiokanal angeboten werden, um die visuelle Suche nach Informationen zu entlasten und dadurch besser zu fokussieren. |
Feedback | Rückmeldungen durch die Lernsoftware, ob die jeweiligen Antworten korrekt sind oder nicht. |
Zur Organisation und Integration von Informationen: | |
Reflexion | Lernende werden angeregt, über ihre Antworten nachzudenken und diese für sich selbst zu erklären. |
Kollaboration | Lernende diskutieren gemeinsam in Zweierteams oder größeren Gruppen mit dem Ziel, implizites Wissen explizit darzustellen. |
Interaktivität | Lernende wählen während des Spiels zwischen verschiedenen Spielelementen beim Lösen von Problemen und bei Aufgaben aus und gestalten so die Lerninhalte interaktiv. |
Verwendung narrativer Elemente | Im Spiel werden (Fantasie-)Geschichten eingesetzt, um Lernende für die Inhalte zu gewinnen. Zum Teil werden auch einzelne narrative Elemente von der Software auf die Interessen der Lernenden angepasst, die die Lernenden vor dem Spiel angegeben haben. |
Personalisierung* | Ideen, Nachrichten und Aufgaben werden so dargestellt, dass sie einen hohen persönlichen Interessantheitsgrad für den Lernenden haben. Beispielsweise können von den Lernenden angegebene Kosenamen und Hobbies in die Aufgabenstellung einfließen. |
Den Lernerfolg unterteilen die AutorInnen in drei Kategorien:
1) Leistung im Spiel. Punkte, die während des Spiels erreicht werden können (gemessen bei 38 experimentellen Vergleichen)
2) Wissen. Wissensinhalte, die nach dem Spiel beim Lernenden korrekt abgerufen werden können (gemessen bei 36 experimentellen Vergleichen)
3) Kognitive Fertigkeiten (skills). Anwendung von Wissen in komplexen Situationen (meist Transfersituationen) nach dem Spiel (gemessen bei 32 experimentellen Vergleichen).
In welchem Ausmaß sich instruktionale Unterstützung beim Lernen mit digitalen Spielen auf den Lernerfolg auswirkt, kann von ganz unterschiedlichen Bedingungen (Moderatoren) abhängen. Anhand einzelner Moderationsanalysen überprüfen die AutorInnen, ob sich der Effekt instruktionaler Unterstützung hinsichtlich des Alters (GrundschülerInnen bis 12 Jahre, SchülerInnen von 13 bis 17 Jahre und Studierende ab 18 Jahre) oder je nach Fachbereich (Biologie, Mathematik, Wirtschaft und allgemeines Problemlösen) unterscheidet. Die Metaanalyse untersucht zudem auch Unterschiede in der graphischen Gestaltung von digitalen Spielen. Hier reicht die Bandbreite von einfachen schematischen Visualisierungen über zeichentrickartige Darstellungen bis hin zu aufwändig gestalteten fotorealistischen Formaten. Zuletzt untersuchen die AutorInnen, ob die Effekte sich dahingehend unterscheiden, wie die Primärstudien aufgebaut sind (Forschungsdesign), oder wo sie veröffentlicht wurden.
Die Grundlage der vorliegenden Metaanalyse bilden 29 Primärstudien mit experimentellen oder quasi-experimentellen Forschungsdesigns, die zwischen 1990 und 2012 in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Konferenzbeiträgen oder Dissertationen erschienen sind. Innerhalb der 29 Primärstudien wurden 107 experimentelle Vergleiche vorgenommen. Untersucht wurden insgesamt 907 SchülerInnen (28 Vergleiche) und 2768 Studierende bzw. Erwachsene (79 Vergleiche).
*Diese Maßnahme instruktionaler Unterstützung kann keinem kognitiven Prozess zugeordnet werden. Darüber hinaus gibt es ein paar Studien, die inhaltlich zu keiner der genannten Maßnahmen zugeordnet werden können. Diese Studien fassen die AutorInnen in die Kategorie »sonstige Maßnahmen« zusammen.
Was findet diese Studie heraus?
Digitale Spiele mit Unterstützung fördern die Leistung im Spiel (d = 0.19), den Wissenserwerb (d = 0.33) und vor allem Fähigkeiten, das Gelernte in anderen, aber vergleichbaren Situationen anzuwenden (d = 0.62), effektiver als Spiele ohne Unterstützung. Mittelt man diese Befunde der drei Lernerfolgsmaße, so erhält man einen kleinen positiven Gesamteffekt (d = 0.34) für Unterstützungsmaßnahmen. Beim Vergleich der verschiedenen Maßnahmen zeigt sich, dass diejenigen, die bei der Auswahl von Informationen behilflich sind, einen signifikant größeren Effekt haben (d = 0.46) als diejenigen, die das Organisieren und Integrieren neuer Informationen (d = 0.14) unterstützen. Als besonders effektive Maßnahmen stellen sich die Audiounterstützungsfunktion von Texten (d = 1.24) und die Modellierung (d = 0.46) heraus.
Betrachtet man zusätzliche Moderatoren, so ergeben die Analysen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Altersgruppen; diese profitieren weitgehend einheitlich von der Unterstützung. Für die verschiedenen Fachbereiche zeigen sich zwar Unterschiede, jedoch spielen konfundierende Faktoren (beispielsweise können die Effekte für Biologie nicht eindeutig auf das Fach zurückgeführt werden, da nur eine Altersgruppe in den Analysen berücksichtigt werden konnte) auch eine Rolle, so dass die Befunde keine eindeutigen Rückschlüsse auf den Fachkontext zulassen.
Die Ergebnisse zur graphischen Gestaltung digitaler Lernspiele verdeutlichen, dass einfach gestaltete, schematische Darstellungsformate (d = 0.45) effektiver sind als Spiele mit fotorealistischer (d = 0.01, nicht signifikanter Effekt) oder zeichentrickartiger Graphik (d = 0.18).
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auch forschungsmethodische Aspekte einen Unterschied machen: Striktere Designs, die Effekte auf die Leistung aus Prä-Post-Vergleichen errechnen, anstatt ausschließlich auf Leistungswerte nach dem digitalen Spiel zu vertrauen, ermitteln signifikant geringere Effektstärken. Ein bedeutsamer Unterschied zwischen Spielen mit und ohne Unterstützung lässt sich zudem ausschließlich in Zeitschriftenbeiträgen mit Peer-Review-Verfahren feststellen (Publication Bias).
Wie bewertet das Clearing House Unterricht diese Studie?
Die Clearing House Unterricht Research Group bewertet die Metaanalyse anhand der folgenden fünf Fragen und orientiert sich dabei an den Abelson-Kriterien (1995):
Wie substanziell sind die Effekte?
Die Metaanalyse zeigt, dass Lernende mit instruktionaler Unterstützung beim spielbasierten Lernen insgesamt größere Lernerfolge erzielen als Lernende ohne instruktionale Unterstützung (d = 0.34, kleiner Gesamteffekt; Klassifikation nach Cohen). Vor allem die Fertigkeiten der Lernenden, gewonnenes Wissen auf neue Situationen anzuwenden, können mit Unterstützung deutlich effektiver gefördert werden. Hier zeigt sich ein mittelgroßer Effekt (d = 0.62), der angibt, dass rund 73 % der Lernenden, die beim spielbasierten Lernen unterstützt werden, bessere Fertigkeiten aufweisen als der Durchschnitt der Kontrollgruppe. Die gefundene Effektstärke für den Gesamteffekt instruktionaler Unterstützung auf den allgemeinen Lernerfolg ist konform mit Ergebnissen anderer Metaanalysen. Wouters und Kollegen (2013) berichten in einer anderen Metaanalyse ähnliche Effektstärken des spielbasierten Lernens auf den Lernerfolg (d = 0.29; siehe Kurzreview 3).
Wie differenziert sind die Ergebnisse dargestellt?
In der Metaanalyse werden gesonderte Effektstärken für verschiedene Fächer, Altersgruppen und Lernerfolgsarten berichtet und somit sehr differenziert dargestellt. Detaillierte Effektstärken werden für die Fächer Biologie, Mathematik, Wirtschaft und allgemeines Problemlösen, für Lernende von der Grundschule bis zum Studium und für die Lernerfolgsmaße Spielleistung, Wissen und Fertigkeiten berichtet.
Wie verallgemeinerbar sind die Befunde?
Die Metaanalyse testet mithilfe von Moderationsanalysen, inwiefern die Befunde verallgemeinerbar sind. Die AutorInnen untersuchen dabei, inwiefern sich unterschiedliche Lernerfolgsmaße, Unterstützungsmethoden und Fächer signifikant auf die Größe des Effekts von instruktionaler Unterstützung auf den Lernerfolg auswirken. Dieser Effekt variiert je nach Kontext bzw. spezifischen Bedingungen und ist somit nicht im Sinne eines einheitlichen Gesamteffekts generalisierbar. Allerdings ist die Richtung der Befunde immer positiv, d.h. digitale Spiele mit Unterstützung sind tendenziell immer lernförderlicher als Spiele ohne Unterstützung.
Anzumerken ist, dass sich für die verschiedenen Altersgruppen zwar keine signifikanten Unterschiede ergeben, aber auch hier Tendenzen vorliegen, dass bestimmte Altersgruppen mehr profitieren als andere. Bevor dazu allerdings belastbare Aussagen gemacht werden können, muss die Forschung hier eine bessere Evidenzgrundlage schaffen.
Was macht die Metaanalyse wissenschaftlich relevant?
Die Ergebnisse der Metaanalyse sind von hoher wissenschaftlicher Relevanz, da die Wirksamkeit der instruktionalen Unterstützung allgemein und die Wirkung verschiedener Maßnahmen im Speziellen hier zum ersten Mal systematisch untersucht werden. Bislang wurden in einer Metaanalyse von Wouters und Kollegen (2013) (siehe Kurzreview 3) lediglich Studien analysiert, die Lernergebnisse digitaler Spiele mit der Wirksamkeit konventioneller Unterrichtsmethoden vergleichen.
Wie methodisch verlässlich sind die Befunde?
Die Offenlegung und Begründung des methodischen Vorgehens entspricht überwiegend den Kriterien gängiger Anforderungskataloge (z.B. APA Meta-Analysis Reporting Standards). Die Schritte bei der Suche, der Auswahl und der Kodierung der Primärstudien sind weitgehend transparent. Im Bereich der Kodierung der Primärstudien ist besonders erwähnenswert, dass ein umfangreicher tabellarischer Überblick, beispielsweise über die einzelnen Lernerfolgsmaße und Altersgruppen, für jeden berücksichtigten Effekt der Primärstudien angegeben wird. Dies erhöht die Transparenz für den Leser, welche Studienmerkmale in der Metaanalyse erfasst wurden.
Eine detaillierte Übersicht über die Beurteilung des methodischen Vorgehens finden Sie in unserem Rating Sheet.
Fazit für die Unterrichtspraxis
Die Metaanalyse zeigt, dass SchülerInnen, die bei digitalen Spielen unterstützt werden, insgesamt höhere Lernerfolge erzielen als SchülerInnen, die keine zusätzliche Unterstützung durch die Software erhalten. Unterstützungsmaßnahmen zahlen sich insbesondere dann aus, wenn eher komplexe Fertigkeiten gefördert werden sollen, die es Lernenden erlauben, ihr Wissen auf andere, aber vergleichbare Situationen zu übertragen. Darüber hinaus können auf Basis der Befunde vor allem zwei Schlussfolgerungen für die Auswahl von Spielen mit effektiver Unterstützung herangezogen werden:
- Zum einen empfiehlt sich der Einsatz einfach gestalteter, schematischer Spiele. Hier zeigen Schülerinnen größere Lernerfolge als bei Spielen mit aufwendigen Grafiken.
- Zum anderen ist es wichtig, dass die instruktionale Unterstützung vor allem beim Auswahlprozess von relevanten Informationen stattfindet. Mit dieser Unterstützung lernen SchülerInnen neue Themen am besten, weil ihnen die Software hilft, sich auf diese Informationen zu fokussieren und ihnen dadurch mehr kognitive Kapazitäten zur Verfügung stehen, um diese Informationen zu verarbeiten (siehe Studienbeispiel von van Eck und Dempsey, 2002).
Studienbeispiel
Van Eck und Dempsey (2002) gehen der Frage nach, wie effektiv Hinweise als instruktionale Unterstützung in digitalen Spielen für den Lernerfolg von SchülerInnen in Mathematik sind. 123 SchülerInnen der siebten und achten Klasse nutzten ein digitales Spiel zum Lernen und wurden dazu zufällig einer Experimental- und Vergleichsgruppe zugewiesen. Den Lernenden wurde die Mathematikaufgabe anhand eines konkreten Problems („Wie viel Farbe ist für das Streichen eines Zimmers im Haus nötig?“) aufgezeigt. SchülerInnen in der Experimentalgruppe bekamen, im Gegensatz zur Vergleichsgruppe, Hinweise bei der Auswahl relevanter Informationen.
So forderten die SchülerInnen Hinweise zur Problemlösung von „Tante und Onkel“ an. Als Hinweise stellten die „Verwandten“ eine Themenliste bereit, aus der die SchülerInnen relevante Inhalte auswählten, um ihre Wissenslücken zu schließen. Es zeigte sich, dass SchülerInnen, die die instruktionale Unterstützung in Form von Hinweisen nutzten, deutlich bessere kognitive Fertigkeiten (d = 0.70) erzielten als SchülerInnen ohne Hinweise.